Ortwin Greis u.a.: „Alte Ansichtskarten“ von Wilhelm Lehr mit deren Postgeschichte vom Ammersee


Ortwin Greis u.a.: „Alte Ansichtskarten“ von
Wilhelm Lehr mit deren Postgeschichte

 

 

154 seltene und prächtige AK von Wilhelm Lehr bringen die Autoren zusammen und stellen diese in Farbe jeweils mit reichlicher Erläuterung vor. Format A4, 80 Seiten, Hardcover, sehr gut erhalten. Gewicht: 614g
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www.philshop.de
Preis: 40 €


Kleine Kunstwerke und ihre Geheimnisse

Ein Autorenkreis um Professor Ortwin Greis hat ein Buch über den Maler und Lehrer Wilhelm Lehr veröffentlicht.

Seefeld – Professor Dr. Dr. Ortwin Greis ist ein gelehrter Mann, wie schon die Anzahl seiner Titel zeigt. Und er ist Perfektionist.

 Als 2015 im Kurparkschlösschen Herrsching eine Ausstellung über Ansichtskarten, darunter einige wenige von dem in Oberalting und Herrsching tätigen Fotografen und Lehrer Wilhelm Lehr zu sehen war, stand für ihn gleich fest: „Das wird ihm nicht gerecht.“ Zwei Jahre später hält Greis, fein gedruckt und gebunden, sein Buch in den Händen: „Alte Ansichtskarten von Wilhelm Lehr“ lautet der Titel.

 

Wilhelm Lehr wurde am 17. September 1860 als Sohn eines Silberschmieds in Markt Schwaben geboren. Weil er Lehrer werden wollte, besuchte er nach der Volksschule die Präparandenschule in Rosenheim. Später trat er seine erste Stelle als Hilfslehrer an der Patronatsschule in Oberalting an und war unter Ägide von Anton Ettmayr dessen Schulgehilfe. 1882 übernahm er auf Empfehlung des Grafen Clemens III. zu Toerring-Jettenbach die verwaiste Schullehrerstelle an der Patronatsschule in Herrsching. Lehr starb 1905 infolge eines Magenleidens.

Lehr war musisch sehr begabt. Er leitete in Herrsching einen Kinderchor, führte mit den Schulkindern Theater- und Krippenspiele auf. Später war er Chorleiter des 1900 gegründeten Herrschinger Sängerbundes. „Vor allem aber war er Herrschings erster Fotograf“, sagt Greis. Lehr durchstreifte die Gegend rund um den Ammersee – und kreierte von 1898 bis 1905 zahlreiche akribisch gezeichnete Ansichtskarten. Als Vorlagen dienten seine Fotografien.

Wie viele Motive er insgesamt schuf, ist unbekannt. Zu sehen sind unter anderem das Kloster Andechs, Ansichten von Herrsching, die Kapelle Grünsink oder auch eine Komposition zum Thema „Lokalbahn Pasing–Herrsching“: Da hat er detailliert gezeichnet, was rechts und links der Gleise zu sehen ist, von Weßling über die Dellinger Höhe, das Schloss Seefeld und Herrsching. Heute sind all diese kleinen Kunstwerke beliebte Sammlerobjekte.

Und Sammler gibt es einige. Greis, Jahrgang 1941, besitzt allein 43 Karten – und hat eine Menge Freunde, die seine Leidenschaft teilen und sich entsprechend an dem Buch beteiligten. Greis fungiert als Herausgeber, zu den Autoren zählen neben ihm Dr. Carl Drexler aus Herrsching, Dr. Heino von LEstocq aus Tutzing und Gerhard Niembs aus Planegg, der selbst 54 Karten für den Druck zur Verfügung stellte. Die meisten der 60 im Buch gezeigten Ansichtskarten befinden sich im Besitz der Autoren, doch am Ende des Buches gibt es auch eine lange Liste derjenigen, die seine Entstehung unterstützt und auch durch die ein oder andere Karte bereichert haben.

Allerdings wurden nicht nur die Ansichtskarten gedruckt – in höchster Qualität natürlich –, das wäre auch für einen Wissenschaftler wie Greis zu einfach. Sondern der Leser sieht auch die Vorderseiten. Welche Geheimnisse Adresse, Absender, das Geschriebene, der Poststempel und auch die Briefmarke bergen, erklären die Autoren zu jedem Bild, aber auch in einem Anhang, der mit der ein oder anderen Überraschung aufwartet. Der Leser lernt die Formate der Ansichtskarten kennen und ab wann neben der Adresse überhaupt auf der Vorderseite Text zugelassen war, nämlich erst ab 1905. Die einzelnen Ortsstempel werden erklärt, dazu gibt es Wissenswertes über die Schifffahrt damals. Denn als Lehr seine Ansichtskarten herstellte, verkehrten auf dem Ammersee nur die beiden Dampfschiffe Marie und Gisela. Spannend ist auch, dass die Kartenschreiber ihren Liebsten durch die Briefmarkensprache geheime Botschaften übermittelten: Eine schräg geklebte Marke beispielsweise stand für „Ein Kuss“.

Lehr war mit der Herrschinger Bauerntochter Maria Wachter verheiratet, die 1891 den Handarbeitsunterricht an der Herrschinger Volksschule übernahm. Das Paar hatte drei Söhne und ein Mädchen, Maria junior, das im Alter von zwei Jahren starb. Zwei Söhne fielen 1916 und 1918 im Krieg, der älteste Sohn überlebte und wurde Studienprofessor. Lehrs große Kinderliebe manifestiert sich in liebevollen Zeichnungen von kleinen Kindern auf vielen seiner Karten. Heute erinnert in Herrsching die „Lehrstraße“ an den einstigen Schulleiter.

Professor Greis ist stolz auf sein Werk. Beim gemeinsamen Durchblättern fällt er von der einen Begeisterung in die nächste. Nach vielen Berufsjahren in Saudi-Arabien und Hamburg ist der Geowissenschaftler und Chemiker in seiner Heimat wieder ganz angekommen, sagt er. Er renovierte sein Elternhaus an der Seefelder Hauptstraße bis ins Detail, es war 1903 das 18. Haus, das in dem Ort überhaupt gebaut wurde. Die Villa Dengler ist angefüllt mit Bildern, Stichen, Gobelins, sie ist schlichtweg fast ein Museum. In Greis’ Arbeitszimmer stapeln sich die Bücher, auch am Computer ist der Seefelder fit. Wenn er sich nicht mit Historie beschäftigt, erstellt er Gutachten für Briefmarken und Belege, denn Greis ist Philatelist und Russland-Prüfer.

Die Grabo-Druck-GmbH in Inning hat das Buch über Lehrs Ansichtskarten gedruckt mit Briefmarkensprache und ausgewählte Poststempel, Hinweise zu Schifffahrt, Heimatkunde, Postgeschichte, Literatur alte Ansichtskarten, Philokartie.

Wer ein Buch für den Preis von 40 Euro erwerben möchte, kann sich mit Greis unter 
  (0 81 52) 909 95 16 in Verbindung setzen oder per E-Mail an o.greis@web.de.